„Da sprach Martha zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben.“ — Johannes 11,21

„Als nun Jesus sah, wie sie weinte, und wie die Juden, die mit ihr gekommen waren, weinten, seufzte er im Geist und wurde bewegt.“ (Johannes 11,33) Er las im Herzen jedes Anwesenden. Er sah, dass der scheinbare Kummer Vieler ein reines Schauspiel war. Er wusste, dass einige von denen, die jetzt Mitleid heuchelten, bald Mordpläne schmieden würden – nicht nur gegen den mächtigen Wundertäter, sondern auch gegen den aus dem Tod Auferweckten. Christus war zu Recht entrüstet. Er hätte ihre Maske falscher Trauer herunterreißen können, doch Er beherrschte sich. Weil zu Seinen Füßen eine leidtragende Frau kniete, die Er liebte und die aufrichtig an Ihn glaubte, blieben die Worte, die nur allzu wahr gewesen wären, unausgesprochen.

„Wo habt ihr ihn hingelegt?“, fragte Er. „Sie sprechen zu ihm: Herr, komm und sieh!“ (V. 34) Gemeinsam gingen alle zum Grab. Es war ein trauriger Anblick. Viele hatten Lazarus geliebt. Seine hinterbliebenen Schwestern weinten mit gebrochenem Herzen um ihn, begleitet von den Tränen seiner Freunde. Angesichts dieses menschlichen Leides und der Tatsache, dass die betrübten Freunde einen Toten beklagen konnten, während der Retter der Welt unter ihnen war, „weinte Jesus“ (V. 35). Er war Gottes Sohn, doch hatte Er die Natur des Menschen angenommen, und menschlicher Schmerz berührte Ihn. Sein zärtlich mitfühlendes Herz geht weit auf, wo immer Er Leid sieht. Er weint mit den Weinenden und freut sich mit den Fröhlichen.

Aber Jesus weinte nicht nur aus menschlichem Mitgefühl für Maria und Martha. In Seinen Tränen lag ein Schmerz, der so viel höher war als menschlicher Schmerz, wie der Himmel höher als die Erde ist. Christus weinte nicht wegen Lazarus – ihn würde Er ja gleich auferwecken. Er weinte, weil viele von denen, die jetzt um Lazarus klagten, bald den Tod dessen planen sollten, der die Auferstehung und das Leben war. Doch wie unfähig waren die ungläubigen Juden, Seine Tränen richtig zu deuten! Einige, die nur die äußeren Umstände als Grund für Seinen Kummer erkennen konnten, sagten leise: „Seht, wie hatte er ihn so lieb!“ (V. 36) — Desire of Ages, 533f

Zum Nachdenken: Was tue ich, wenn mir jemand in den Rücken fällt, dem ich geholfen habe?