„Und es geschah, nach drei Tagen fanden sie ihn im Tempel sitzend mitten unter den Lehrern, wie er ihnen zuhörte und sie befragte.“  – Lukas 2,46

Es war der letzte Tag, an dem Christus im Tempel lehrte. Die Aufmerksamkeit der riesigen Menschenmenge, die sich in Jerusalem versammelt hatte, war auf ihn gerichtet. Die Vorhöfe des Tempels waren mit Menschen überfüllt, die die laufende Auseinandersetzung mitverfolgten. Gespannt nahmen sie jedes Wort von Jesus auf, das über seine Lippen kam. Nie zuvor hatte man so etwas gesehen. Da stand der junge Galiläer, ganz ohne irdischen Glanz und ohne königliche Würde! Er war umgeben von Priestern in ihren reichen Gewändern, von Obersten in ihrer Amtskleidung, die mit Abzeichen verziert war, was auf ihre hohe Stellung hindeutete, und von Schriftgelehrten mit Pergamentrollen in den Händen, auf die sie häufig verwiesen. Gelassen und in königlicher Würde stand Jesus vor ihnen. Ausgestattet mit der Vollmacht des Himmels blickte er unerschrocken auf seine Feinde, die seine Lehren verworfen und verachtet hatten und ihm nach dem Leben trachteten. Sie hatten ihn häufig angegriffen, doch ihre Pläne, ihn zu fassen und zu verurteilen, waren stets gescheitert. Jeder Herausforderung war er entgegengetreten, indem er die reine, leuchtende Wahrheit darstellte, die im Gegensatz zur geistlichen Finsternis und zu den Irrtümern der Priester und Pharisäer stand. Er hatte diesen Führern ihren wahren Zustand vor Augen geführt und auch die mit Sicherheit folgende Vergeltung, wenn sie in ihren bösen Taten verharrten. Sie waren unmissverständlich gewarnt worden. Doch nun stand Jesus eine andere Aufgabe bevor. Es galt noch ein weiteres Ziel zu erreichen.

Das Interesse des Volkes an Christus und seinem Wirken hatte ständig zugenommen. Die Menschen waren von seinen Lehren begeistert, doch gleichzeitig auch sehr verunsichert. Bisher hatten sie die Priester und Rabbiner wegen ihrer Klugheit und scheinbaren Frömmigkeit geachtet. In allen religiösen Angelegenheiten waren sie der Obrigkeit stets bedingungslos und gehorsam gefolgt. Doch nun merkten sie, wie diese Männer versuchten, Jesus, den Lehrer, dessen Reinheit und Weisheit nach jedem Angriff noch heller aufleuchteten, in Verruf zu bringen. Die Menschen betrachteten die finsteren Mienen der Priester und Ältesten und sahen, wie diese peinlich berührt und verwirrt waren. Sie waren erstaunt darüber, dass die Obersten nicht an Jesus glauben wollten, da seine Lehren doch so klar und einfach waren. Sie selbst wussten nicht, was sie tun sollten. Ungeduldig und besorgt beobachteten sie das Verhalten jener, deren Rat sie stets befolgt hatten.  — Der Sieg der Liebe, 590

Zum Nachdenken: Wird mein Glaube an Jesus vom Verhalten geistlicher Leiter beeinflusst?